Die vielen Gesichter von Plastik

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Wer den Kampf gegen etwas aufnehmen will, sollte seinen Gegner gut kennen. Und das ist bei Plastik gar nicht mal trivial. Denn das Plastik gibt es nicht. Vielmehr ist Plastik eine Oberbezeichnung für eine Vielzahl von Materialgruppierungen. So wie Kupfer, Eisen oder Aluminium alle der Werkstoffgruppe der Metalle angehören, sind beispielsweise PVC, PET oder Elastan trotz unterschiedlichster Eigenschaften der Werkstoffgruppe der Kunststoffe zuzuordnen. Insgesamt gibt es über 200 Kunststoffarten, die sich wiederum durch den Zusatz von Additiven in eine schier endlose Anzahl von Varianten aufteilen. Die fast schon unendliche Anpassungsfähigkeit von Kunststoffen an die jeweiligen Bedarfe, stellt deshalb eine hohe Hürde dar, Plastik in den Feldern, wo es mit einem puren Verzicht nicht getan ist, mit alternativen Werkstoffen zu ersetzen. Das sollte man wissen – sich abschrecken lassen sollte man sich davon nicht.

Fangen wir bei der Basisunterteilung an. Je nach ihrem Verhalten beim Erwärmen unterscheidet man zwischen drei Kategorien von Kunststoffen:

 

  • Viele Kunststoffe, die wir im Alltag nutzen sind Thermoplaste. Joghurtbecher, Plastiktüten oder PET-Flaschen. Sie zeichnen sich durch ihr flexibles Material aus und lassen sich – deshalb der Name – durch Wärme/Hitze wieder verformen, da sie aus nur lose verbundenen Polymerstrukturen bestehen. Für den Recyclingkreislauf sind sie deshalb von besonderer Bedeutung, da sie viele Male eingeschmolzen und wieder neu geformt werden können. Nur Kunststoffe dieser Kategorie können deshalb wertstofflich optimal verwertet, das heißt in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt werden. Die am häufigsten verwendeten Kunststoffarten wie Polyethylen, Polypropylen, PET, PVC und Polystyrol gehören zur Gruppe der Thermoplaste.
  • Duroplaste dagegen können aufgrund vernetzter Polymerstrukturen durch Hitzezufuhr nicht wieder in ihrer Form verändert werden. Da sie aus sehr engverwobenen Molekülketten bestehen, bleibt dieser Kunststoff so hart und damit auch in der Form, in der er hergestellt wurde. Aufgrund dieser Temperaturbeständigkeit werden Duroplasten oft für Langzeitanwendungen wie z.B. Gehäuse für elektrische Geräte, Steckdosen oder Küchenmaschinen genutzt. Sie könnennicht wie Thermoplaste durch Wiederaufschmelzen recycelt werden. Nur durch chemisches (Aufspaltung der Polymere) oder Partikel-Recycling (schreddern oder mahlen der Duroplaste) lassen sie sich downcyceln. Zu den Duroplasten zählen: Polyurethane (PUR), Phenolharze, Harnstoffharze, Melaminharze, Polyesterharze, Epoxidharze, Silikone, CFK und GFK
  • Die dritte Sorte sind die Elastomere. Und auch hier ist der Name Programm. Sie lassen sich im Gegensatz zu den beiden anderen Gruppen verbiegen und sind sehr – ja genau – elastisch. Reifen oder Spülschwämme gehören dieser Gruppe an. Zu den Elastomeren zählen: Kautschuk, Gummi und viele Schäume auf Polyurethan Basis.

Für Verbraucherinnen und Verbraucher sind weniger die Kategorien als die Kunststoffbezeichnungen relevant, die dann im besten Fall, auf den Etiketten oder Beschreibungen zu finden sind. Die häufigsten fünf Kunststoffe decken bereits 70 Prozent der deutschen Kunststoffnachfrage ab (siehe Abbildung). Nimmt man noch PUR hinzu, machen allein sechs Kunststoffarten 80 Prozent der europäischen Kunststoffnachfrage aus.[1]

  • Polyethylen (Recycling-Codes: 04 PE-LD / 02 PE-HD): Sie sind die weltweit am häufigsten hergestellten Plastikart. 30 Prozent aller von uns verwendeten Kunststoffe sind Polyethylene. Polyethylen niedriger Dichte (LDPE) hat filmbildende Eigenschaft und wird für Verpackungsfolien oder Milchkartonbeschichtungen genutzt. Polyethylen hoher Dichte (HDPE) ist im Vergleich dichter und robuster: Eimer, Schüsseln, Getränkekisten, Rohre und Kabelisolation sind aus diesem Kunststoff.
  • Polypropylen (Recycling-Code: 05 PP): Der zweithäufigste Kunststoff ist sehr belastbar und hart. Oft sitzen wir darauf: Toilettendeckel, Sitzbezüge im Auto oder Gartenmöbel sind aus Polypropylen. Auch Kunstrasen, Koffer oder Schulranzen, sterilisierbare medizinische Geräte oder Lebensmittelverpackungen werden aus diesem Material hergestellt. Leider werden gerade bei den Verpackungen zur Erzeugung der benötigten Eigenschaften oft Mehrschichtfolien erzeugt, die untrennbar miteinander verbunden sind und daher nicht recycelt werden können. 
  • Polyvinylchlorid (Recycling-Code: 03 PVC): Meistens, wenn es eigentlich nach etwas anderem aussehen soll, kommt PVC ins Spiel: Bodenbeläge, Kunstleder oder Tapeten sind aus PVC. Die harte Form des PVCs wird für Abwasserrohre oder Fensterprofile eingesetzt. Die günstige Produktion von PVC hat in den 50er Jahren zum Plastik-Boom geführt. Diese Kunststoffart ist aber auch eine der umstrittensten. So kann PVC aus bis zu 70 Prozent Weichmachern bestehen, die wiederum gesundheitsschädlich sein können. Zudem ist die Entsorgung problematisch, da beim Verbrennen Chlorgase austreten und auch bei der Deponierung geringe Mengen Phthalate ins Sickerwasser der Deponien austreten können[2]
  • Polystyrol (Recycling-Code: 06 PS): Auch unter dem Markennamen Styropor oder Styrodur bekannt. Durch die matrixhafte Anordnung der Polymere in der Schaumstruktur haben sie eine hohe Wärmeisolierung, weshalb Polystyrol ein beliebter Bau- bzw. Dämmstoff ist. Allerdings sind diese Kunststoffe auch die mit der längsten Haltbarkeit, Sie sind mechanisch leicht trennbar, zerfallen aber nur über einen extrem langen Zeitraum von mehreren hundert Jahren in Mikroplastikbestandteile, die dann von Lebewesen über deren Nahrung mit aufgenommen werden. Problematisch ist außerdem die Verwendung von krebserregendem Benzol bei der Herstellung von Polystyrol. Diese kann über die Zeit der Nutzung ausgasen oder beim Verbrennen des Materials freigesetzt werden. Auch mit den besten Filtern ist es nicht zu 100% möglich die benzolhaltigen Verbindungen in der thermischen Verwertung abzufangen.
  • Polyethylenterephthalat (Recyclingcode: 01 PET): 1978 führte Coca-Cola die PET-Flasche als Ersatz für die Glasflasche ein und markierte mit diesem Schritt eine neue Ära in der Plastikproduktion (siehe Abbildung). Denn: Zum ersten Mal wurde in extrem hoher Anzahl Flaschen aus diesem Material in der Lebensmittelindustrie eingesetzt. Außer für Plastikflaschen wird PET auch im Maschinenbau für Schrauben oder Federn genutzt. Sicherheitsgurte, LKW-Abdeckplanen sind genauso aus PET wie Implantate und Gefäßprothesen. Kritisch diskutiert wird der Einsatz der PET-Flaschen, da sich bei länger andauernden Nutzung und Sonneneinstrahlung Acetaldehyd ins Getränk übergehen kann. Die Mengen sind laut deutschem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) für den Menschen allerdings unbedenklich[3].


  • Polyurethan (PU/PUR / kein Recycling möglich): Je nach Herstellung kann dieser Kunststoff ganz unterschiedlich eingesetzt werden. Als Schaumstoff in Matratzen, Sofas oder Schwämmen, als Montageschaum oder als Mikroschaum für atmungsaktive Membran für Regenbekleidung. Auch als Textilfasern wie Elastan oder als Rostschutzmittel in Form von Lacken wird Polyurethan eingesetzt. Die Entsorgung ist schwierig, da durch die Verbrennung gefährliche Chemikalien wie Isocyanate und toxische Blausäure freigesetzt werden können und auch in Deponien zersetzt sich der Kunststoff in giftige Stoffe.

Quelle: PLASTIKATLAS 2019,Appenzeller/Hecher/Sack CC BY 4.0


[1] Plastics Europe Deutschland e.V.: Plastics – the Facts 2019. An analysis of European plastics production, demand and waste data(2019)

[2] Kommission der Europäischen Gemeinschaften: GRÜNBUCH –  zur Umweltproblematik von PVC (2000)

[3] Bundesinstitut für Risikobewertung: Ausgewählte Fragen und Antworten zu PET-Flaschen (10. Februar 2015, abgerufen am 08.06.2020)

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