Bioplastik als Alternative?

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Neben den traditionellen Werkstoffen wie Holz, Glas oder Metall spielen vor allem Biokunststoffe bei der Transformation zu einer Kreislaufwirtschaft bzw. einer Plastikmüllfreien Produktion eine wichtige Rolle.

Für ein erstes Verständnis, was Biokunststoffe sind, lassen sie sich am besten folgendermaßen unterteilen:

  • biologisch abbaubare Kunststoffe (Polymere), die erdölbasiert oder aus nachwachsenden Rohstoffen (biobasiert) bestehen und
  • nicht biologisch abbaubare Polymere, die aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen
Quelle: Ple210Biokunststoffe FinalCC BY-SA 4.0

Eine guten Überblick über Biokunststoffe liefert auch das Fraunhofer Institut für Umwelt- , Sicherheit- und Energietechnik (UMSICHT), die sich auf die Entwicklung spezieller Biokunststoffe für die Industrie spezialisiert haben (siehe Forschungsfeld Biokunststoffe vom Fraunhofer-Institut UMSICHT). Denn für die industrielle Produktion ist es entscheidend, dass die nachhaltigen Alternativen zu Plastik mindestens die gleichen Vorteile wie Plastik (à siehe dazu auch den Artikel „Was ist Plastik?“) mit sich bringen und den Produktionsprozess nicht verkomplizieren. Die Industrie unterscheidet bei Biokunststoffen daher vor allem zwischen   

  • biobasierten Drop-in-Lösungen, die erdölbasierte Kunststoffe in ihren Eigenschaften ein zu eins ersetzen und
  • Biokunststoffen mit neuen chemischen Strukturen und neuen Eigenschaften

Erstere ersetzen erdölbasierte Kunststoffe mit einem biobasierten Kunststoff (z.B. Bio-PET und Bio-PVC), sind aber ebenfalls nicht biologisch abbaubar. Sie werden aus nachwachsenden Rohstoffen wie Stärke, Glukose, pflanzlichen Ölen und Zellulose hergestellt. Da sie lediglich einen anderen Ausgangsstoff haben, aber identische Eigenschaften, können für die Produktion bestehende Anlagen zumeist weiter verwendet werden.

Anders sieht es bei neuartigen Biopolymeren aus. Sie haben andere Eigenschaften, weshalb der Produktionsprozess auf sie meist aufwendig neu abgestimmt werden muss. Durch innovative Eigenschaften ermöglichen sie aber ganz neue Anwendungsgebiete.

Biokunststoffe, die der zweiten Gruppe zuzuordnen sind

  • Thermoplastische Stärken (TPS) und Stärkeblends (Stärkegewinnung z.B. aus Mais, Kartoffeln, Yams oder Zuckerrohr) können vor allem herkömmliche Verpackungskunststoffe wie Polyethylen (PE) oder Polypropylen (PP) ersetzen und werden beispielsweise für Beutel, Netze oder auch Babywindeln eingesetzt.
  • Polymilchsäurenpolymer (PLA) wird z.B. als Mulchfolien in der Landwirtschaft verwendet. Ihr Vorteil: Landwirte können die Folie nach der Nutzung einfach unterpflügen statt wie vorher die Polyethylen Folien entsorgen zu müssen. Da auch der menschliche Organismus PLA abbauen kann, wird PLA auch als Nahtmaterial in der Medizin verwendet.
  • Ligninbasierte Kunststoffe eigentlich ein Abfallprodukt der Papierindustrie kann Kleb- und Schaumstoffe, aber auch z.T. notwendige Mikroplastikpartikel in Peelings oder Zahncreme ersetzen
  • andere faserhaltige Werkstoffe
  • bakterienbasierte Kunststoffe wie Polyhydroxyalkanoate (PHA) oder Polyhydroxyfettsäuren (PHF) haben eine gute Beständigkeit gegen Feuchtigkeit und sind nicht toxisch, weshalb sie sich für Lebensmittelverpackungen oder Folienbeschichtungen eignen.

    (Wer mehr wissen will: Einen Umfangreichen Überblick gibt es auf der sehr informativen Webseite von bioökonomie.de, eine Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung)

Derzeit machen Biokunststoffe etwa ein Prozent der jährlich knapp 400 Millionen Tonnen Kunststoff aus.[1] (Eine Übersicht über aktuellen Marktzahlen gibt es unter anderem vom European Bioplastics e.V.). Da die Nachfrage steigt und immer ausgefeiltere Biokunststoffe mit individuellen Eigenschaften entstehen, wächst und diversifiziert sich der Markt für Biokunststoffe kontinuierlich. Vor allem der Marktanteil der Drop-in Lösungen wächst stark an.[2] Die Fortschritte der Forschung sorgen zudem dafür, dass alternative Werkstoffe günstiger zu produzieren und damit attraktiver für die Wirtschaft sind. Interessant dabei ist: Damit steht die Entwicklung der Biokunsstoffe heute genau an dem Punkt, an dem schon die Karriere von Plastik vor gut 100 Jahren ihren Lauf nahm.  

Quelle: European Bioplastics, nova-Institute (2019)


Aber wie nachhaltig sind Biokunststoffe?

Mit Blick auf die Nachhaltigkeit von Biokunststoffen sollte immer klar sein: Nicht alle Biokunststoffe sind biologisch abbaubar. Manche als Biokunststoff deklarierte Polymere sind weiterhin erdölbasiert, auch wenn sie aufgrund ihrer chemischen Struktur unter bestimmten Bedingungen biologisch abgebaut werden können. Zudem sind Biokunststoffe von so geringer Relevanz für die Abfallentsorgung, dass es noch keine eigenen Sortierungs- und Recyclingprozesse für sie gibt bzw. keine Recyclingquoten gesetzlich vorgeschrieben sind.
Ein Diskussionspunkt rund um Biokunststoffe sind dabei die Ökobilanzen. Damit sind sowohl die Ressourcen- und Energiebilanzen bei der Herstellung als auch die Frage nach der Nutzung von eigentlich für die Lebensmittelproduktion notwendigen Agrarflächen gemeint. So steht beispielsweise Bio-PET in der Kritik, da einige für die Herstellung benötigten Pflanzen wie Zuckerrohr unter Pestizideinsatz und in Monokulturen angebaut werden. Schwierig bei diesen durchaus ernstzunehmenden Einwänden ist die Vergleichbarkeit der Ökobilanzen. Bislang gibt es keine einheitliche Lebenszyklusanalyse (siehe Diskussionsaufruf zum Life Cycle Assessment).

Einen Ansatz zur Berechnung der Flächennutzung liefert die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR), der zufolge aktuell ca. 0,016 % der weltweiten Agrarfläche genutzt werden, um nachwachsende Rohstoffe für die Biokunststoff-Produktion bereitzustellen. Nach einem vom gleichen Institut berechneten Szenario, könnte dieser Anteil auf 4-7 Prozent der weltweit zur Verfügung stehenden Landwirtschaftsfläche anwachsen, wenn die weltweite Kunststoffproduktion weitestgehend auf biobasierte Kunststoffe umgestellt würde. Dieses Szenario berücksichtigt allerdings noch nicht den zunehmenden Trend bei der Biokunststoffproduktion auf Rest- und Abfallstoffe aus der Land- und Forstwirtschaft zurückzugreifen wie Maisstroh, Sägemehl oder Kartoffelschalen. 

Weitere Zahlen liefert das Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe Hannover unter anderem in der Broschüre „Biopolymers – facts and statistics“ (Ausgabe 2019) , in der die Prozessrouten sowie der Wasser- und Ressourcenverbrauch unterschiedlicher Biokunststoffe beschrieben werden.

Wer mehr über Pro und Kontra rund um Biokunststoffe wissen möchte, findet bei der Initiative Die Debatte einen differenzierten Diskussionsbeitrag und bei der Deutschen Umwelthilfe eine Übersicht über Mythen und Fakten


[1] Vgl. European Bioplastics: Bioplastics market data (abgerufen am 08.06.2020)

[2] Ebd

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